Laura (19)

Gehörlos geboren und mit CI hörend aufgewachsen: Laura bewegt sich in zwei Welten, liebt Musik über alles und tanzt auf Profi-Niveau.

Wegen einer Viruserkrankung ist die Gehörentwicklung bei Laura schon im Mutterleib schiefgelaufen, aber bemerkt wird ihre Gehörlosigkeit erst gegen Ende ihres ersten Lebensjahres. Die Eltern setzen alles daran, dass sie hörend aufwächst. Laura bekommt das erste Cochlea-Implantat als Einjährige, das zweite mit zwei. Treibende Kraft hinter ihrer Sprachentwicklung ist die Mutter, der klar ist, dass ihre Tochter nicht nur eine korrekte CI-Einstellung braucht, sondern auch viel Logopädie und Übung

Regel- oder Sonderschule?

Laura erinnert sich an einen guten Primarschulstart: «Die Lehrerin hatte ein Zusatzmikrofon umgehängt, und ich durfte mir meinen Platz aussuchen.» Doch nach der zweiten Klasse wird ihr die spezielle Unterstützung entzogen. Laura wird auch nicht mehr benotet und hat damit praktisch keine Chance mehr, einen guten Abschluss zu machen. Unfair, finden die Eltern. Zumal gute Noten und ein IQ-Test belegen, dass Laura durchaus fähig ist, die Regelschule zu meistern.

Aber sie muss in eine Sonderschule wechseln. Zweischneidig: Zwar erhält sie im Landenhof viel Unterstützung seitens der Lehrpersonen und Sozialpädagog:innen, aber ihre Mitschüler:innen grenzen sie aus. «Du gehörst nicht hierher», bekommt sie wegen ihrer guten Aussprache zu hören. Erst in der sechsten Klasse schliesst Laura Freundschaften.

Laura wechselt nach der Primar- an die Bezirksschule, macht dort einen guten Abschluss und startet eine Berufsausbildung bei der Stiftung Lebenshilfe, die sie nach einem Wechsel in der Stiftung Schürmatt abschliesst.

Lehrbegleitend empfiehlt man Laura die Berufsfachschule für Lernende mit Hör- und Kommunikationsbeeinträchtigung in Zürich. Wieder ein Sonder-Setting? Laura möchte lieber an eine öffentliche Schule und entscheidet sich gegen alle Ratschläge für Sursee, wo sie aufgenommen wird. Laura blickt auf drei gute Jahre zurück: «Unterstützung durch tolle Lehrpersonen, selbstorganisiertes Lernen, kein Frontalunterreicht – für mich sehr angenehm. Ich kann meine CIs abschalten und mich voll aufs Lernen fokussieren, in meinem Tempo.»

Eine Lektion fürs Leben

Vor allem aber haben sie die drei Jahre in Sursee eine Lektion fürs Leben gelehrt: sich durchzusetzen und an sich zu glauben. Was nicht ausschliesst, gleichzeitig Unterstützung einzufordern. Laura wird seit dem ersten Lehrjahr vom Audiopädagogischen Dienst begleitet und erhält bei Prüfungen als Nachteilsausgleich zehn Minuten länger Zeit. «Das ist nicht viel», meint sie, «aber es hilft.»

Tanzlehrerin mit CI?

Laura ist ein Bewegungsmensch, geht schon dreijährig ins Kindertanzen. Wahrscheinlich hat dies ihr Gehör stimuliert. Laura tanzt mit 6 Jahren Hip-Hop, später kommt Ballett hinzu. Bei laufender Musik spricht die Tanzlehrerin wegen Laura oft etwas lauter, aber sonst gibt es keine Anpassungen oder Erleichterungen für sie.

Laura tanzt so gut, dass die Tanzlehrerin ihr vorschlägt, das Hobby zum Beruf zu machen. Laura weiss noch nicht, wie sie dies als CI-Trägerin schaffen soll, aber beschliesst, sich neben der Lehre auch noch als Kindertanzpädagogin ausbilden zu lassen. Heute unterrichtet Laura ab und zu als Stellvertretung Kindertanz oder Kinderballett.

Laura: «Wenn du an dich selber glaubst, kannst du viel erreichen!». – Fotos: Patrick Lüthy für Pro Audito.

Gehörlos auf der Operettenbühne

Damit nicht genug, tanzt Laura auch auf der Operettenbühne: Über ein halbes Jahr probt Laura im Ensemble, bis das Orchester dazustösst – eine Herausforderung für sie: «Das war eine andere Liga, mit Live-Musik. Da habe ich richtig Bammel bekommen. Schaff ich das? Höre ich die Takte? Können meine CIs gut genug filtern?» Doch alles geht gut: «Das war eine super Erfahrung!» 2027 wird Laura in der Operette in Beinwil wieder mittanzen.