Leben mit dem Gendefekt

Montag, 26. Juni 23

Christin weiss schon mit zwanzig, dass sie keine Chance hat, den Hörverlust aufzuhalten. Vielleicht ist es aber gerade diese Gewissheit, die ihr den Mut gibt, sich nicht durch die Schwerhörigkeit definieren zu lassen.

„Es gibt nur sieben bekannte Familien mit diesem Gendefekt auf der ganzen Welt. Er wird dominant vererbt. Wenn man ihn hat, beginnt in der Regel mit zwanzig Jahren das Gehör schlechter zu werden, bis zur vollständigen Ertaubung etwa ab dem sechzigsten Lebensjahr.“ In Christins Fall hat die mütterliche Linie – Mutter, Grossvater und zwei Onkel – das „Schwerhörigen-Los“ gezogen. Christin selbst bekommt mit 20 ihre ersten Hörgeräte. 

Weichenstellung

Nach ihrer Ausbildung tritt sie in Köln ihren ersten Job an. Im Institut für Regionalentwicklung und nachwachsende Rohstoffe. Dort, so erinnert sie sich, passiert eine Weichenstellung, die sie sehr bedauert: „Wir hatten eine politische Diskussion – es ging um Fördermittel im Bereich nachwachsender Rohstoffe – die ich moderiert habe. Es war eine sehr emotionale Diskussion vor Live-Publikum und das ist total in die Hose gegangen. Warum?  Weil einfach diese Verzögerung da war. Jemand sagt etwas, ich muss im Kopf erstmal den Lückentext füllen – welche Wörter habe ich nicht verstanden – und bis ich beim inhaltlichen Verstehen bin, sind die anderen schon ganz viel weiter. Das war für mich ein einschneidender Moment, der wirklich weh getan hat.“ Christin schlägt einen anderen Weg ein, schafft den Sprung in die Geschäftsleitung und entwickelt sich in zehn weiteren Berufsjahren zur „Management Generalistin“.

Gelegenheit

Dann zieht Christin, inzwischen verheiratet und gerade schwanger, mit ihrem Mann nach Zürich. Wegen des Umzugs und der neuen Mutterrolle findet sie zunächst keine Anstellung. Bis sie – mit damals noch 20 Prozent Restgehör – als Quereinsteigerin im Telefonverkauf anfängt. Christin lacht: „Ich merke immer wieder, dass ich einfach diese Grenzen nicht akzeptiere, die mir die Schwerhörigkeit setzt. Und es hat ja auch funktioniert.“ Tatsächlich: Christin ergreift jede Gelegenheit, die sich im Unternehmen bietet, bis ihr schliesslich die Stellung angeboten wird, die sie auch heute noch mit Begeisterung ausfüllt. Als „Compliance und ESG Beraterin“ unterstützt sie nun Firmen auf der ganzen Welt dabei, gesetzeskonform zu handeln. 

Christin macht ihren Weg. Trotz Gendefekt. Trotz Schwerhörigkeit. Aber wie ergeht es ihr privat? Und warum lebt sie heute auf einem Schloss? Lesen Sie die ganze Geschichte im aktuellen Dezibel.

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