Wie wir im Februar berichteten, hat sich Pro Audito Schweiz mit der ETH zusammengetan, um die Bedürfnisse von Menschen mit Schwerhörigkeit im Alltag zu analysieren.
Im Rahmen des Projektes «Inklusion Praxis» haben die ETH-Studentinnen Noemie Marti und Sereina Rubin eine schwerhörige Person – sie heisst Franziska – im Alltag begleitet und dabei typische Hürden und Baustellen beobachtet. Jetzt haben die beiden Master-Studentinnen ihre Abschlusspräsentation zum Projekt vorgestellt. Spoiler: Sie haben bestanden!
Das sind die Erkenntnisse
Franziska konnte dank diverser Hilfsmittel wie einem Multi-Mikrofon, Bluetooth und Speech-to-Text-Applikationen den Alltag auch im Berufsleben gut meistern. Allerdings ist eine gewisse Technik-Affinität mehr als hilfreich. Für Franziska wichtig waren ausserdem:
- Nur eine Person spricht
- Sichtkontakt wahren für Lippenlesen
- Gute Raumakustik
Schwierigkeiten gab es besonders bei:
- Notizen machen, da das Hören, Verstehen und Lippenlesen viel Aufmerksamkeit braucht
- Schlechte Verbindung in Videocalls
- Hintergrundgeräusche
- Viele Anglizismen/Fremdwörter
Das wünscht sich Franziska
Franziska wünscht sich vor allem technisches Know-how, das herstellerunabhängig und einfach online zugänglich ist.
Eine grosse Hürde besteht beim Testen von Hilfsmitteln. Das ist in vielen Fällen nicht oder nur schlecht möglich. Weil man aber meistens erst beim alltäglichen Gebrauch merkt, ob ein Gerät für die eigene Situation funktioniert oder nicht, wünscht sich Franziska einfachere Test-Möglichkeiten oder leicht zugängliche Testberichte.
Schlussendlich würde sich Franziska freuen, wenn sie sich nicht ständig für ihre Bedürfnisse erklären müsste.
Mögliche Lösungsansätze
Für einige der beschriebenen Probleme geht nichts über Aufklärung des Umfelds, zum Beispiel der Arbeitskolleg:innen.
Wichtig ist aber auch der Support von Menschen mit Schwerhörigkeit für Menschen mit Schwerhörigkeit – beispielsweise durch gemeinsame Workshops oder Hilfegruppen: Alltagserfahrungen teilt man am besten unter “Peers”, die die gleichen Probleme und Verständnis für die eigene Situation haben.
Und vor allem: Eine gute technische Infrastruktur ist für Menschen mit Schwerhörigkeit nicht nur nice to have, sondern essenziell.
Diese drei zentralen Schlüsselnachrichten haben die ETH-Studentinnen erarbeitet:
- Technologie allein reicht nicht
- Das Testen der Technik in realen Nutzungssituationen ist essenziell
- Einheitliche Lösungen funktionieren nicht, weil zum Teil grosse Unterschiede beim technischen Vorwissen der Nutzer:innen bestehen
Wir danken Noemie Marti, Sereina Rubin und Franziska für diese spannende Projektarbeit und die wertvollen Erkenntnisse.