Im Bericht zum Postulat 19.4380 erkennt der Bundesrat Handlungsbedarf bei der Hörgeräteversorgung (wir haben berichtet). Aber was schlägt er vor? Und wie beurteilt Pro Audito den Bericht? Lesen Sie hier eine kurze Einordnung.
Konkret geprüft hat der Bundesrat die Einführung einer Spezialitätenliste im Hörgerätebereich (ähnlich der Spezialitätenliste für Medikamente des BAG) und die Einrichtung eines so genannten Hilfsmittel-Kompetenzzentrums, wie es beispielsweise Norwegen kennt. Beide Ansätze beurteilt der Bundesrat als nicht zielführend. Stattdessen schlägt er eine Verbesserung des derzeit geltenden, im Jahr 2011 eingeführten Pauschalsystems (mehr Infos zum Pauschalsystem) für die Vergütung von Hörgeräten vor.
Pauschalsystem: Das schlägt der Bundesrat vor
Vorgeschlagen wird, die Pauschalbeträge für Hörgeräte neu zu berechnen. Als Grundlage der Berechnung soll präzise definiert werden, welche Produktkategorien im Rahmen der Pauschale erwartet werden (also zum Beispiel Hörgerätepreis, Anpassung, Wartung etc.). Ausserdem möchte der Bundesrat die heutigen Härtefälle ebenfalls in das Pauschalsystem überführen.
Und das sagt Pro Audito
Pro Audito begrüsst grundsätzlich die vorgeschlagene Anpassung der heutigen Pauschalen. Aber nur, solange daraus eine Verbesserung der Situation von Menschen mit Schwerhörigkeit resultiert! Denn Fakt ist, dass sich seit der Einführung des Pauschalsystems die Zuzahlungen, die Menschen mit Schwerhörigkeit an Hörgeräte leisten, teilweise verdoppelt haben. Sie liegen bei zwei Hörgeräten bei durchschnittlich CHF 3’721.* Kaum ein anderes Hilfsmittel erfordert eine so hohe Zuzahlung der Bezüger:innen. Es darf nicht sein, dass mit erneuten Anpassungen noch mehr Kosten auf die Betroffenen überwälzt werden. Auch bei einer Überführung der Härtefälle in das Pauschalsystem wäre von einem Zuzahlungsanstieg bei den Betroffenen auszugehen. Es ist essentiell, dass eine gute Finanzierbarkeit von Hörgeräten weiterhin gewährleistet ist.
Pro Audito bedauert, dass bei der Erarbeitung des Postulatsberichts keine Massnahmen geprüft worden sind, die die Markttransparenz für die Käufer:innen von Hörgeräten erhöhen.
Hintergrundwissen
Die jährlich rund 100’000 Menschen mit Hilfsmittelbeiträgen von AHV und IV zu Hörgeräten machen den Löwenanteil (57%) aller Personen mit Hilfsmittelbeiträgen aus. Am Totalbetrag für Hilfsmittel von rund 334 Millionen Franken ist ihr Anteil mit rund 28 Prozent deutlich kleiner.** Und: Der OBSAN-Bericht und WHO-Studien zeigen, dass eine bessere Zugänglichkeit von Hörgeräten die enormen gesamtgesellschaftlichen Folgekosten (wir haben berichtet) reduziert und zu einer verbesserten beruflichen Eingliederung führt. Hürden in der Zugänglichkeit der Hörgeräte-Versorgung müssen folglich dringend abgebaut werden – und dazu gehören auch finanzielle Hürden. |
Wie geht es jetzt weiter? Pro Audito ist im Gespräch mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen. Wir halten Sie hier über weitere Entwicklungen auf dem Laufenden.
Quellen: *«Analyse der Preise und der Qualität in der Hörgeräteversorgung» (Braun-Dubler et al., 2020) / **ZAS-SUMEX Rechnungsjahr 2023; Berechnung Theo Hutter PAS