
Stefan (57)
Es brutzelt in der Pfanne. Es zischt ein Dampfkochtopf. Und es lärmt der Mixer. Wie kann man schwerhörig in einer Hotelküche arbeiten?
Zwischen Baustelle und Küche
«Ich bin Handwerker mit Leib und Seele», sagt Stefan. Die Liebe zum Bauhandwerk hat er vom Vater, der ein Baugeschäft führte und den kleinen Stefan häufig auf Baustellen mitnahm. Stefans zweite Passion kommt von mütterlicher Seite: «Meine Mama konnte gut kochen. Ich war ein Küchenkind, ein Nesthocker.»
Stefan ist von Geburt an auf dem rechten Auge blind. Dieses Handicap bestimmt seine Berufswahl. Auch sein Vater rät ihm ab vom Bau. Stefan macht eine Lehre als Koch.
Grundsteinlegung zum Hörproblem
Stefan fährt die ersten Berufsjahre zweigleisig, arbeitet im Winter in der Küche und im Sommer auf dem Bau.
«Damals haben wir unsere Ohren nicht genügend geschützt», erinnert er sich. Das legte noch vor seinem zwanzigsten Lebensjahr den Grundstein zu seiner heutigen Schwerhörigkeit.
Der Erfolg und seine Kehrseite
Frisch von der Hotelfachschule erfüllt sich Stefan den Traum vom eigenen Betrieb. Er kauft ein uraltes Hotel am Urnersee und investiert alle seine Energie in diese seine «Baustelle». Und dies mit Erfolg. Sein Hotel ist über Jahre hinweg bis auf das letzte Zimmer ausgebucht. Seine Frau macht den Service, er die Küche.
Doch nach sieben Jahren zerbricht die Ehe an der Realität des harten Arbeitsalltags. «So ist das in der Gastronomie», meint Stefan. «Lange Präsenzzeiten. Die Beziehung kam zu kurz.»
Hörgeräte und Lippenlesen
Der Zweisamkeit gibt er in seiner zweiten Ehe mehr Raum. Aber das Gehör lässt nach, und Stefan zögert lange Jahre, das Problem anzugehen.
Den entscheidenden Anstupf empfängt Stefan vom Online-Hörtest von Pro Audito, auf den er auf Instagram aufmerksam wird. Der Empfehlung, sein Gehör ärztlich untersuchen zu lassen, folgt er aber nicht, sondern geht direkt zum Akustiker.
Dieser ermittelt einen beidseitigen Hörverlust von etwa 25% in den hohen Frequenzen. Stefan entscheidet sich für kaum sichtbare Im-Ohr-Hörgeräte. Auswahl und Anpassung benötigen nur wenige Sitzungen.
Das Lippenlesen hat Stefan nie gelernt, aber praktisch schon lange angewendet. Denn wegen seiner Einäugigkeit ist es für ihn normal, sich den Menschen, mit denen er spricht, ganz zuzuwenden und ihre Mimik zu lesen.
Unterwegs auf dem geistigen Weg
Stefan ist im Laufe seines Lebens immer feinfühliger geworden. «Ich spüre einfach, wenn ich ein gutes Rohprodukt in der Hand habe», sagt er. Und: «Ich sammle viele Kräuter. Sie sind für mich die Seele der Speisen.» Seine Zuwendung zur Natur geht Hand in Hand mit einem erwachenden Interesse für die geistige Dimension. Er ist überzeugt: «Es gibt mehr als das, was wir sehen und anfassen.»

Stefan: «Ich sammle viele Kräuter. Sie sind für mich die Seele der Speisen.» – Fotos: Patrick Lüthy für Pro Audito
Steckbrief
Stefan
hat einen beidseitigen Hörverlust von 25% in den hohen Frequenzen.
Beruflich
wirkt er als Küchenchef in einem Seminarhotel.
Privat
ist Stefan in zweiter Ehe glücklich.
Vielseitig
sind seine Begabungen und Neigungen: handwerklich, kommunikativ, spirituell.
Stefan zum Akustiker:
«Bitte die Hintergrundgeräusche runter, aber die Gespräche lauter!»
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