Priska (39)
Die Primarschullehrerin verliert innerhalb weniger Jahre praktisch das Gehör und muss für ihren Traumberuf kämpfen.
Priska war ein normalhörendes und sogar geräuschempfindliches Kind. Erst während des Studiums an der pädagogischen Hochschule bekam sie einen Tinnitus. Stille wie zum Beispiel in der Yoga-Entspannung kann sie bei dem ständigen Rauschen und Piepen kaum noch ertragen.
Besserung bringen die ersten Hörgeräte. Priska kauft sie sich mit 29 Jahren für die gemeinsame Weltreise mit ihrem Mann. Die wieder besser hörbaren Stimmen und Geräusche überlagern den Tinnitus.
«Haus» oder «Maus»?
Zurück von der Weltreise, verschlechtert sich ihr Gehör aber rapide. Die schwangere Priska bekommt eine erste Klasse. Liest ein Abc-Schütze vor, kann sie Wörter wie «Haus» und «Maus» nicht mehr unterscheiden.
Die Untersuchungen im Unispital ergeben einen 70-prozentigen Hörverlust ohne erkennbare Ursache. Zur Schwangerschaft kann kein Zusammenhang nachgewiesen werden, und auch sonst scheint anatomisch alles in Ordnung. «Ich habe dann einiges versucht, Akupunktur zum Beispiel, was man halt so macht», erinnert sich Priska. Doch der Hörverlust ist nicht aufzuhalten. Ein Jahr später hat sie weitere 7 Prozent Gehör verloren.
Unterrichten mit einem CI?
Obwohl Priska als Primarschullehrerin mit Hörgeräten und Hilfsmitteln einigermassen zurechtkommt, fordert sie das Teilzeitpensum sehr. Sie wendet sich an Pro Audito, wo man ihr den Kontakt zu einer Audiopädagogin vermittelt, die ihr eine Lösung aufzeigt.
«Sie glaubte an mich», erzählt Priska, «und meinte, dass es möglich sei, als Lehrerin mit einem Cochlea-Implantat zu unterrichten!»
Priska will in der normalen Regelschule bleiben und tritt mit einem beidseitigen Hörverlust von mittlerweile 95 Prozent sogar eine neue Stelle an. Mit Unterstützung der Schulleitung und einer gut funktionierenden zweiten Klasse im Rücken wagt sie es schliesslich, Anfang Sommer 2023 den OP-Termin anzusetzen.
Harte Zeiten
Doch die ersten Tage nach dem Eingriff sind schlimm. Priska ist praktisch taub, der Tinnitus unerträglich. Sie kämpft mit Übelkeit und Schwindel und denkt: «Da ist etwas schiefgegangen.»
Sie wird nach drei Tagen aus dem Spital entlassen, übergibt sich im Auto. «So fühlt man sich halt nach der Operation», glaubt sie, und beisst die Zähne zusammen. Erst die neuen Schmerzmedikamente, die sie vom Hausarzt verschrieben bekommt, bringen Linderung.
Priska ist Ende 30 und trägt nun links ein CI. Man hatte ihr Hoffnung gemacht, dass sie schnell wieder würde verstehen können, weil sie ja lange normalhörend war. Doch kaum ist der Prozessor aktiviert, hört sie nur Hochtongepiepe. Dabei steht sie unter Zeitdruck: Nach den Sommerferien muss sie wieder unterrichten. So startet sie mit Hilfe einer Audioagogin und einer App ein intensives Hörtraining.
Kurz vor Ende der Sommerferien erlebt sie einen Aufsteller. Sie schneidet im Kopierraum Arbeitsblätter zurecht und vernimmt «ratsch», und noch einmal «ratsch»: Priska hört das Geräusch der Schere! Und hat zum ersten Mal das Gefühl, wirklich wieder hören zu können.
Ende gut, alles gut?
Schon nach drei Monaten Training erzielt Priska «Bestnoten» im Hörverstehen. Auch der Tinnitus, der sie zehn Jahre lang begleitet hat, ist links verschwunden. Eine grosse Erleichterung!
Direkt nach den Sommerferien unterrichtet sie wieder im gewohnten Pensum. Zusätzlich geht sie weiterhin ins Hörtraining und zu Kontrollen im Unispital. Mit zwei kleinem Kindern daheim ist das eine organisatorische Herausforderung, zu bewältigen nur dank der Familie und einem ganzen Netzwerk.
Zum Glück hat die Schulleitung eine Lehrerassistenz bewilligt; Priska war in den ersten Monaten also nie allein im Unterricht. «In einer Klasse», erklärt sie, «gibt es immer Kinder mit besonderen Bedürfnissen und integrativer Förderung, kurz IF, und nun bin ich eben eine Lehrerin mit IF.»
Musik war früher eine ihrer Begabungen. Als Abschlussarbeit an der pädagogischen Hochschule hatten sie und ihre Kollegin sogar ein eigenes Liederheft herausgegeben und mit der Klasse im Studio vertont. Heute erkennt sie die Lieder kaum wieder.
Aufgeben ist aber keine Option: Priska übt alle zwei Wochen gemeinsam mit ihrer Klavierlehrerin, Töne voneinander zu unterscheiden. Irgendwann wird sie es schaffen, wieder mit der Klasse zu singen.
Steckbrief
Priska
unterrichtet als Lehrerin mit einem CI.
Als Kind
war sie normalhörend und sehr lärmempfindlich.
Anfang 30
verliert sie innerhalb weniger Jahre praktisch das Gehör.
Musik
war früher ihre Begabung. Heute übt sie am Klavier, Töne zu unterscheiden.
Priskas Message:
«Wenn du einen Traum(beruf) hast, der dich antreibt, dann ist manchmal mehr möglich, als du vielleicht gedacht hättest!»
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