Mathias (65)
Ein vermeintlicher Hörsturz zerstört sein Gehör. Matthias kann heute nur dank zwei Cochlea Implantaten wieder hören.
Der Unfall
Mathias hätte sich das Genick brechen können. Er verliert nach einem schweren Sturz von der Treppe das Bewusstsein und erwacht erst wieder im Notfall: Schädelbruch, Schädelhirntrauma und Hirnblutung.
Die Zeit heilt diese Wunden, einzig ein mysteriöser Hörverlust hält sich beidseitig. «Verstehen konnte ich noch», sagt Mathias. «Aber Musik hören war schon schwierig. Zudem hatte ich Probleme mit dem Gleichgewicht beim Gehen.»
Plötzlich taub
Vom Hörakustiker erhält Matthias Hörgeräte zum Ausprobieren. Doch die verstärken die Geräusche übermässig: «Ich ging am ersten Tag einkaufen und hörte ganz hinten im Laden noch deutlich das Piepsen der Kassen vorne.»
Um sich vom akustischen Stress zu erholen, legt Mathias am Abend die Hörgeräte ab und liest in aller Ruhe. Wie er sie wieder einsetzt, gerät er in Panik: «Plötzlich war alles weg. Auf einen Schlag, auf beiden Ohren. Einfach verschwunden.»
Wie sich in den nächsten Wochen im Unispital herausstellt, war die Ursache für die schlagartige Ertaubung kein Hörsturz, sondern ein Riss im Felsenbein, der schon beim Unfall entstanden sein muss. Durch den Riss ist Flüssigkeit aus der Cochlea ausgelaufen und sind die hochsensiblen Haarzellen verkümmert.
Glück im Unglück
Die einzige Hoffnung sind nun noch Cochlea-Implantate. Die funktionieren aber nur bei intakten Hörnerven. «Ich war ziemlich nervös», gesteht Mathias. «Ich dachte, wenn das nicht geht, dann ist fertig mit Hören.»
Zum Glück kommt nach den nötigen Untersuchungen ein positiver Bescheid. Moralischen Support erhält Mathias bei einem CI-Treff von Pro Audito Zürich. «Alle hatten Freude, weil ich ohne Gehör wahnsinnig laut redete, Das waren nette Leute, eine gute Atmosphäre.»
Die erste OP (links) verläuft reibungslos, und nach einem Monat wird das implantierte Hörsystem aktiviert: Mathias versteht auf Anhieb. Das ist eine grosse Ausnahme. Wohl deshalb, weil Mathias als Unfallopfer keinen schleichenden Hörverlust erlitten hat. Sein Gehirn hatte gar keine Zeit, das Hören und Verstehen zu verlernen.
In nur zwei Monaten lernt Mathias im Hörtraining mit der Audioagogin von Pro Audito das neue Hören und kann mit dem linken Ohr wieder telefonieren. Auch die zweite OP auf dem rechten Ohr ist ein Erfolg.
Soziales Netz und viel Bewegung
Matthias erlebte ein emotionales Auf und Ab und wundert sich im Rückblick, dass er nie depressiv wurde. «Das liegt an meiner Frau», ist er überzeugt, «und daran, dass alle total parat waren, mich teilhaben zu lassen.» Zettel, Stift und ein Spracherkennungs-App waren ebenso hilfreich wie das gemeinsame Kochen mit Freunden – ganz ohne Worte.
Zudem zog die Tochter für einige Zeit wieder nach Hause. «Die Familie rückte zusammen. Das hat mir sehr geholfen, die neue Situation zu akzeptieren.»
Vor dem Schicksalsschlag war der gelernte Forstingenieur lange Jahre in leitender Position im Umweltbereich tätig. Seit seiner Pensionierung widmet er sich seinem eigenen Aufbauprojekt. Mathias macht täglich Übungen für den Gleichgewichtssinn, geht regelmässig in die Craniosacral- und die Physiotherapie und nimmt langsam wieder sein Aikido-Training auf.
«Ich brauche Bewegung», weiss Mathias und lotet beständig aus, was geht, was noch nicht geht und was vielleicht auch nie wieder gehen wird. Velofahren zum Beispiel. «Das wage ich nicht, wegen dem Gleichgewicht.»
Ungewiss ist das Musikhören: «Man sagte mir, das sei ein langer Prozess. Ich denke also, dass sich das noch entwickeln kann. Im Moment geht es einfach noch nicht so gut, wie ich mir das wünsche.»
Steckbrief
Mathias
Ist infolge eines Unfalles vollkommen taub; heute hört er dank zwei CI.
Zuhause
ist Mathias am Stadtrand von Zürich im Grünen. Zusammen mit Ehefrau Myriam bewirtschaftet er etwas Wald, Wiese und einen Garten.
Beruflich
war der gelernte Forstingenieur im Umweltbereich tätig; nun ist er im Ruhestand.
Sportlich
beginnt Mathias wieder mit Aikido, was er vor dem Unfall intensiv betrieben hatte.
Seine Einstellung
«Es wird sicher nicht so werden wie vorher. Ich habe aber das Gefühl, es kommt wieder. Für meinen Geschmack etwas langsam, aber es kommt.»
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