
Luca (25)
Einfach mal anpacken. Das kann Luca, 25 Jahre jung und seit dem dritten Lebensjahr hochgradig schwerhörig. Ohne Selbstmitleid, dafür unbekümmert, humorvoll und immer auf dem Boden der Realität macht der angehende Informatiker scheinbar mühelos seinen Weg. Mit CI rechts und Hörgerät links.
„Also der erste, der gesagt hat ‚der Luca, der hört nicht richtig‘, war mein Opa. Das CI verschwindet vollständig in seinem Haarschopf und auch das Hörgerät nimmt man auf den ersten Blick nicht war. Wer mit Luca redet, merkt nicht sofort, dass der schlecht hört. Und schlecht heisst in seinem Fall: Rechts praktisch kein Restgehör, links vielleicht noch 40%.
„Ich wollte immer blaue Hörgeräte“
Die Eltern machen sich Sorgen, als der kleine Luca, knapp dreijährig, keine rechten Sprachfortschritte macht und auch sonst nicht „normal“ reagiert, wenn er angesprochen wird. Die ersten Abklärungen zeigen aber kein auffälliges Ergebnis. Erst ein Arzt in New Jersey, wo die Familie aus beruflichen Gründen ein Auslandsjahr verbringt, stellt die Diagnose ‚schwerhörig‘. Mutter und Vater sind erstmal überrascht. Zurück in der Schweiz lassen Sie den Befund noch einmal bestätigen und stellen sich dann der Realität. Luca bekommt mit drei Jahren seine ersten Hörgeräte. „Ich weiss noch, dass ich unbedingt blaue haben wollte. Ich dachte immer: die finde ich am besten wieder, wenn ich sie draussen beim Spielen mal verliere.“ Ob die Schwerhörigkeit von Geburt an besteht, oder ob – wie die Mutter vermutet – die Antibiotika gegen eine Mittelohrentzündung im Säuglingsalter schuld sind, weiss niemand so recht. „Spielt ja auch keine Rolle“ findet Luca. Und überhaupt: „Ich bin eigentlich froh, dass ich mit der Schwerhörigkeit aufgewachsen bin. Ich stelle es mir psychisch viel schwerer vor, wenn man erst später im Erwachsenenalter das Gehör verliert.“
„Meine Eltern haben mich recht weit gebracht“
Aber war es wirklich so einfach, mit dem starken Hörverlust aufzuwachsen? Luca hat wohl tatsächlich Glück. Nicht, weil er seit Kindertagen schlecht hört. Sondern, weil seine Eltern mit ihm zur Logopädie gehen und ihn soweit bringen, dass er die verpasste Sprachentwicklung schnell wieder aufholt und die Regelschule besuchen kann. In der Primarschule findet Luca Freunde und kommt dank audiopädagogischer Unterstützung im Unterricht gut mit.
Beim Übergang in die Sekundarstufe überlegt die Familie dennoch, ihren Sohn in den Landenhof, die Schweizerische Schule für Schwerhörige, zu schicken, „Aber ich wollte nicht. Mein Freundeskreis war mir wichtiger.“ In der 2. Sekundarschule entscheidet sich Luca nach häufigen Lehrerwechseln und schwer wegzuredenden Lücken im Lehrstoff dann doch für den Landenhof. Am Anfang war es schwierig die ganze Woche weg von zuhause zu sein und neue Freundschaften zu suchen. Dennoch sagt Luca heute: „Es war eine gute Zeit. Habe enorme persönliche Fortschritte gemacht und mein Freundeskreis stammt jetzt hauptsächlich aus den Landenhof Jahren.“
„Im Nachhinein bin ich viel gescheiter“
Zu Beginn der Pubertät verliert Luca infolge eines schweren Hörsturzes praktisch über Nacht das Gehör auf dem rechten Ohr. Warum, weiss er auch diesmal nicht so recht. „Ist ja egal.“, sagt Luca wieder. „Ist halt leider passiert und ich musste damit umgehen.“
Dann die Frage: Cochlea Implantat (CI) oder nicht? Luca zögert. Er hat einfach Angst vor der Operation und davor „nicht mehr cool zu sein, halt eher ein Cyborg mit einem Magneten im Kopf.“ Der Besuch bei einem gleichaltrigen CI-Träger hilft, die inneren Widerstände abzubauen. Die Entscheidung für den Eingriff im UniSpital Zürich trifft zuletzt aber dann seine Mutter für ihn. „Im Nachhinein bin ich wieder gescheiter und froh, dass sie sich durchgesetzt hat“, sagt Luca heute.
Die Zeit der Gewöhnung ist, wie immer nach einer CI-Operation, nicht ohne: Kopfschmerzen und Enttäuschung über den vermeintlichen Misserfolg lassen Luca hadern. Doch dank der richtigen Einstellung des Geräts und des Hörtrainings wird es bald richtig gut. „Geholfen hat auch, dass ich in den Landenhof kam und dort ein CI-Träger von vielen war. Sobald du in einer Umgebung bist, wo andere genau das gleiche Problem haben, ist es eigentlich kein Problem mehr.“

Fotos: Patrick Lüthy für pro audito.
„Ich mache das einfach mal“
Nach einer Lehre als Polygraf bei der Zürisee-Zeitung sammelte Luca erste Berufserfahrung in einem Signaletik-Atelier in Zug. Danach interessierte er sich für ein Informatikstudium mit Schwerpunkt Design, verfügte aber nicht über die nötigen Zulassungen. „Ich hatte die gestalterische Berufsmaturität in der Tasche und hätte die technische gebraucht“, erzählt Luca. „Zufällig habe ich dann in einem Zeitungsartikel über die Passerelle gelesen. Das ist eine Ergänzungsprüfung zur Berufsmaturität, die innerhalb von einem Jahr absolviert werden kann. Wer sie besteht, hat Zugang zu allen Studiengängen der Universitäten.“ Die Vorbereitungskurse sind auch für Normalhörende happig. Und natürlich nicht für Schwerhörige ausgerichtet. Luca denkt: „Warum eigentlich nicht? Ich mache es einfach mal. Ich bereue es nur, wenn ich es nicht versucht habe.“
Nach einem Jahr passiert, womit Luca eigentlich selbst nicht ernsthaft gerechnet hat: Er besteht die Prüfung. Ihm stehen alle Türen offen. Trotzdem bleibt er realistisch und hält seinen Kindheitstraum, Archäologie oder Chemie zu studieren, aufgrund seiner Hörsituation für zu anspruchsvoll.
„Mich mal auf nichts konzentrieren“
Das Vollzeit Studium Informatik füllt Lucas Leben im Moment aus. Zeit für seine Hobbies bleibt wenig. Nur das Schwimmtraining, zusammen mit einem Kollegen, zieht er einmal in der Woche durch: „Da kann ich das CI und Hörgerät rausnehmen und muss nichts hören, mich auf nichts konzentrieren.“ Auch sonst ist Luca, wenn Zeit bleibt, sportlich unterwegs: Tennis, wandern oder das Freeriden im Schnee. Luca hält mit. Mentalen Ausgleich findet er aber auch beim Fotografieren.
Als Leiter im pro audito-Sommerlager gibt Luca etwas von seinem Lebensmut an andere Betroffene weiter: „Ich war als Kind selbst mehrfach mit im Sommerlager, das speziell auf Kinder und Jugendliche mit Hörproblemen ausgerichtet ist. Dass ich im letzten Jahr als Leiter mitfahren durfte, hat mich gefreut. Ich hatte viel Spass mit den Kindern – auch wenn ich nach den zehn Tagen erstmal Schlaf nachholen musste. “
„Ich muss gar nicht motzen“
Eins ist für Luca klar: Schwerhörige werden immer Hürden zu überwinden haben. Das heisst für ihn aber nicht, dass man sich auch noch selbst behindern sollte. „Immer zu sagen ‚das kann ich eh nicht‘ bringt dich nicht weiter. Probier’s! Mach’s! Zeig’s allen“, das ist die Devise, nach der er lebt. So auch, als er nach seiner Lehre für drei Monate als Volunteer nach Namibia reist und dort auf einem Wildtierreservat arbeitet.
Luca weiss um die Nachteile seiner Situation. Da macht er sich nichts vor. Aber er weiss auch: „Es gibt Leute, die erreichen alles, was sie wollen, obwohl sie mit einer schwierigeren Behinderung umgehen müssen als ich. Chapeau – das bewundere ich! Und denke dann immer: Ich muss gar nicht motzen, ich höre ja immerhin etwas.“ Und auch wenn nicht alles geht: Es geht etwas, bei Luca.
Steckbrief
Luca
ist seit der Kindheit hochgradig schwerhörig. Nach einem Hörsturz hat er rechts kein Restgehör und trägt ein CI.
Zuhause
ist ist für Luca die WG mit seinem Vater. Die Mutter lebt auch in der Nähe. Luca hat zwei Schwestern.
Beruflich
geht bei Luca viel: Er ist ausgebildeter Polygraph und studiert zur Zeit Informatik.
Entspannung
findet Luca beim Sport. Ausserdem ist er ein Platten Fan und liebt die Fotografie.
Lebensmotto
„Probier’s! Mach’s! Zeig’s allen!“,
Weitere Informationen
- Betroffene erzählen
Tanja (23), gehörlos geboren
Ingrid (75), CI-Trägerin
Franco (50), lebt mit dem Tinnitus
Marco (51), Hörsturz & Tinnitus
Vanessa (28), vom Hörsturz „geweckt“ - Cochlea-Implantate
Was ist ein CI?
Für wen ist ein CI geeignet?
Hören nach der Implantation
Nützliches CI-Wissen
CI-Plattform
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