Heidi (69)
Bis ins Alter von 60 Jahren hatte Heidi nie eine Einschränkung des Gehörs. Doch dann kamen die Probleme im Multipack: Hörverlust, Tinnitus, Hörsturz und obendrein Morbus Menière.
Heidi liebte ihren Job als IT-Managerin. Um ein wichtiges Projekt fristgemäss abzuschliessen, ignorierte sie eine schwere Angina und schluckte Tabletten. Aber der Stress war zu viel: Ihr rechtes Ohr wird taub infolge einer Virusinfektion. Viel zu spät geht Heidi zum Arzt. Weder Kortison noch Antibiotika bringen das Gehör zurück.
Rückzug und weitere Rückschläge
Wenig später gesellt sich ein Tinnitus hinzu. Bei Sitzungen versteht Heidi wenig, muss ständig nachfragen. «Das hat mir zugesetzt», erinnert sich Heidi, «weil ich das nicht gekannt habe, nicht mithalten zu können. Und mein Umfeld hatte nicht immer Verständnis.» Heidi lässt sich mit 62 frühpensionieren.
Ohne den beruflichen Druck geht es ihr zwar besser. Sie und ihr Lebenspartner unternehmen Reisen. Doch eines Morgens im Jahr 2017 wacht Heidi auf und kann auch auf dem linken Ohr nicht mehr hören: ein Hörsturz.
Meditation, Tai Chi, Akupunktur und viele Sitzungen beim Psychiater helfen ihr über die nächsten Jahre hinweg. Sie hört keine Musik mehr und kann sich kaum noch mit ihren Söhnen und Enkeln unterhalten.
Eines Tages kippt Heidi vom Stuhl und muss sich übergeben. Anfangs als Drehschwindel fehldiagnostiziert, erhärten weitere Abklärungen den Verdacht Morbus Menière: eine Erkrankung des Innenohrs mit den Symptomen Schwindelattacken, Hörverlust und Tinnitus.
Links Morbus Menière, rechts taub. Was tun? Über eine Ärztin erfährt Heidi von Pro Audito und nutzt das Angebot, sich mit einer CI-Trägerin auszutauschen. Doch Heidi ist noch weit davon entfernt, sich für eine Operation zu entscheiden.
Sie geht für ein halbes Jahr auf Reisen, mit einem Zusatzmikrofon für die Verständigung mit ihrem Partner. Das warme Klima Australiens ist ein Segen für ihre Ohren, die CI-Pläne rücken in weite Ferne. Doch nach dem Flug nach Neuseeland sind die Hörproblem plötzlich wieder akut. Heidi kann sich kaum verständigen.
Ein Alptraum nach der OP
Der Entscheid ist damit gefallen. 2019 lässt sich Heidi auf der rechten Seite ein Cochlea-Implantat einsetzen. Die Operation glückt, so scheint es. Doch zwei Stunden nach dem Aufwachen beginnt für Heidi ein Alptraum: «Ich konnte nicht aufstehen, musste mich übergeben, Schwindel, Schwindel, Schwindel.» Sie verlässt das Spital an Stöcken.
Schwindel gehört zu den eher seltenen Nebenwirkungen einer CI-Operation. In Heidis Fall wurde das Gleichgewichtsorgan völlig ausser Kraft gesetzt. Sie musste lernen, ihr Gleichgewicht mit den Augen zu steuern.
Dazu fuhr sie wöchentlich mit dem Taxi in die Schwindeltherapie und machte täglich Übungen. «Das war sehr anstrengend», sagt sie. «Ich konnte praktisch nichts anderes tun, weder Haushalt noch Sport, noch konnte ich mich frei bewegen.»
Heidi zweifelte am Sinn des Lebens, brauchte intensive psychiatrische Hilfe. Schliesslich kämpft sie sich aus dem Tief: dank der engen Betreuung in der Schwindelklinik, der Fürsorge ihres Partners, der Unterstützung durch Familie und Freunde – und ihrem eisernen Willen. «Ich bin ehrgeizig. Ich habe gewusst, das ist meine einzige Chance. Also habe ich gelernt, an mir zu arbeiten und über meine Grenzen hinauszugehen.»
Die Fortschritte kommen langsam, doch nach zwei Jahren hat sie den Schwindel überwunden.
Und was ist mit dem Gehör?
Seit der Erstanpassung des Sprachprozessors gehören zu Heidis Stundenplan tägliche Hörübungen via App und das wöchentliche CI-Einzeltraining bei der Pro Audito-Audioagogin. Ihr Fleiss zahlt sich aus: «Rechts höre ich wieder fast 100%.»
Mit dem Hören kommt auch Stück für Stück die Lebensqualität zurück. «Nicht mehr kommunizieren zu können, das war das Schlimmste für mich. Inzwischen verstehe ich wieder alles, nicht einmal die Pandemie-Masken stören mich gross. Und ich kann wieder besser Musik hören, wenigstens mir bekannte Stücke.»
Das Wissen, dass ihr rechtes Ohr nun stabil gut ist, nimmt Heidi auch die Angst vor der Zukunft. Sie weiss, dass sie nicht vollständig ertauben wird.
Steckbrief
Heidi
hatte bis 60 nie Probleme mit dem Gehör, dann aber: Hörverlust, Tinnitus, Hörsturz und Schwindelattacken.
Beruflich
liess sich Heidi mit fünfzig von der Chemielaborantin zur IT-Managerin umschulen.
Psychisch
waren die andauernden Schwindelattacken nach der IC-Operation kaum zu ertragen. Heidi brauchte intensive psychiatrische Hilfe.
Hobbies
Heidi liebt Musik und das Reisen.
Heidi über Heidi
«Ich muss an mir arbeiten. Es geschieht nichts, ausser ich tue es.»
Weitere Informationen
So können Sie helfen
Spenden
Unterstützen Sie uns mit einer Spende: Ob klein oder gross. Ihr finanzieller Beitrag trägt die Arbeit von Pro Audito mit.
Mitgliedschaft
Werden Sie Mitglied: Sie profitieren von Vorteilen und unterstützen schwerhörige Menschen in der Schweiz. Für 50 CHF im Jahr.