Gianni (70)
Die heutigen Hörgeräte sind winzige Hochleistungscomputer. Das ist nicht jedermanns Sache. Aber wenn ein Technikmuffel wie Gianni damit zurecht kommt, kann das auch andere ermutigen, ihre Hemmschwelle zu überwinden.
Seiner Frau Fiorenza war aufgefallen, dass Gianni den Fernseher sehr laut stellt. An einer Veranstaltung schiebt sie ihn mit sanftem Druck zu einem Akustik-Info-Stand. Und tatsächlich: Der Akustiker rät Gianni nach dem Gratis-Hörtest, sich alsbald Hörgeräte anzuschaffen.
Gianni will davon nichts wissen, will eine zweite Meinung einholen. Aber sowohl die Uniklinik in Zürich als auch ein Arzt in St. Gallen bestätigen die Diagnose: einen Hörverlust von etwa 60%.
Gianni hadert mit seinem Problem: «Ich war erst vierzig und hatte im Beruf noch viel vor. Das hat mir Sorgen gemacht. Und natürlich die Familie – meine Frau und ich haben vier Kinder.»
Gianni braucht ganze zwei Jahre, bis er sich dazu durchringt, Hörgeräte anzuprobieren.
Berufsleben: Optimismus kann helfen
Vielleicht hat seine positive Einstellung dazu beigetragen, dass Gianni im Rückblick auf seine Berufsjahre sagen kann: «Vier von fünf Leuten merkten gar nicht, dass ich schwerhörig bin. Die Haare haben meine Hörgeräte gut kaschiert.»
Wenn er etwas nicht versteht, fragt er nach. Seine Schwerhörigkeit zu «outen», war nie ein Problem. Schwieriger fand er es unter vielen Leuten, oder wenn er eine Rede halten musste.
Gianni hat viel erreicht und wohl die meisten seiner beruflichen Ambitionen verwirklicht. Nach einem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Freiburg lehrte er an verschiedenen Berufsschulen. Dann betrieb er zehn Jahre lang Öffentlichkeitsarbeit für die Schweizerische Bankgesellschaft UBS (Unione di Banche Svizzere, Regione Ticino). Zuletzt arbeitete er als Stellvertretender Direktor des kantonalen Amtes für Berufsbildung.
Gianni amtete während 16 Jahren als Gemeindepräsident in seinem Heimatdorf Bissone. Sein Arbeitgeber liess ihm dazu die Freiheit, seine Arbeitszeit selber einzuteilen. Zudem sass Gianni im Vorstand mehrerer Gremien.
Hörgeräte: Nicht gleich aufgeben!
Gianni sieht bei vielen Menschen mit Schwerhörigkeit ein grosses Akzeptanzproblem. Er selbst zögerte zwei Jahre lang, sich Hörgeräte zuzulegen. Der Technikmuffel kennt die Vorbehalte: «Ein Hörgerät ist ein externer Apparat, der nicht zu unserem Körper gehört und an den man sich gewöhnen muss. Am Anfang hört man seine Stimme ganz anders als vorher.»
Deshalb rät er aus seiner Erfahrung, verschiedene Hörgeräte auszuprobieren. «Jedes ist anders. Nicht gleich aufgeben und die Hörgeräte in die Schublade stecken!»
Gianni selbst hatte in drei Jahrzehnten sechs verschiedene Hörgeräte. Die ersten waren noch mit Fernbedienung. «Die fünften Hörgeräte, die ich hatte, waren fantastisch!», schwärmt er. «Die waren der Ferrari unter meinen Hörgeräten. Ich konnte 360 Grad hören.»
Heute begnügt sich Gianni mit einem einfacheren Modell. So gut kommt der Pensionär mit seinen Hörgeräten zurecht, dass sie ihn buchstäblich an nichts hindern.
Steckbrief
Gianni
hat einen 60-prozentigen Hörverlust.
Zuhause
ist er in Bissone. Er diente seinem kleinen Heimatdorf 16 Jahre als Gemeindepräsident.
Beruflich
hat Gianni viel erreicht und die meisten seiner beruflichen Ambitionen verwirklicht.
Ehrenamtlich
arbeitet Gianni als Präsident des Pro Audito-Vereins im Tessin (ATIDU).
Sein Anliegen
«Ich finde, man muss den Leuten klarmachen: Auch wenn sie schwerhörig sind, sind sie ganz normale Personen.»
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