Franz (70)
Klick-klick. Klick-klick. Das Geräusch eines Kugelschreibers konnte Franz Vogel schon mit 20 nicht mehr hören. Aber es vergingen noch zehn Jahre, bis zu seinen ersten Hörgeräten.
Franz ist Pragmatiker. An seinem Hörproblem interessiert ihn vor allem die technische Lösung. Hörgeräte der neuesten Generation und diverse technische Hilfsmittel kompensieren seinen inzwischen hochgradigen beidseitigen Hörverlust – in den meisten Situationen.
«Bei uns liegt das in der Familie»
Franz ist 70 Jahre alt, schlank, trägt eine Brille und hat Lachfältchen rund um die Augen. Seine ältere Schwester fand mit 23 heraus, dass sie stark schwerhörig war. Weil die medizinischen Abklärungen nichts Besonderes ergaben, tippte man auf die Vererbung. Und tatsächlich stellte der Ohrenarzt beim damals jungen Franz prompt eine ausgeprägte Hochtonschwerhörigkeit fest.
Das war in den 1970er Jahren, als die Hörgerättechnik noch in den Kinderschuhen steckte. Es gab keine befriedigende Lösung. Franz schlug sich anfangs ohne Hörhilfe durchs Leben. Im Studium vermochte er den Vorlesungen zu folgen. Auch in seinen ersten Berufsjahren machte sich seine Hörminderung kaum bemerkbar. Zu peinlichen Situationen kam es erst, als Franz in Sitzungen komplett falsche Antworten gab. «Jetzt bin ich langsam reif für ein Hörgerät, habe ich gedacht», erinnert sich Franz.
Das Fass zum Überlaufen brachte ein Erlebnis mit seinem vierjährigen Sohn, bei einem Gratis-Hörtest im Einkaufszentrum. «Andreas war mit in der Kabine. Ich hatte die Kopfhörer auf. Und irgendwann rief er: ‹Papi! Jetzt drück doch endlich!› Die Dame, die die Hörtests durchführte, war schockiert. Ich auch.»
Von der Hörbrille zu klassischen Hörgeräten
«Ich weiss genau, was Sie brauchen, und nur das verkaufe ich Ihnen», verkündete der Akustiker dem damals 30-jährigen Franz: eine sog. Hörbrille, mit Mikrofonen vorne an der Brille, seitenverkehrt, um Rückkopplungen zu vermeiden. «Schon nach einer Stunde hatte ich solche Kopfschmerzen, dass ich die Brille absetzen musste», erinnert sich Franz. «Aber keine drei Wochen später hatte ich mich daran gewöhnt. Es war schon sensationell, wie sehr mir die Hörbrille half.»
Nach der Hörbrille wechselte er auf klassische Geräte. «Ausgeprägte Anpassungsschwierigkeiten hatte ich nie», sagt Franz. «Es klang einfach immer wieder anders, aber daran gewöhnte ich mich schnell.»
Parallel zur Entwicklung der Branche entwickelte sich Franzens Faszination für Hörgeräte und technische Hilfsmittel. «Es war schon ein komischer Zufall», schmunzelt Franz. «Immer, wenn die IV wieder neue Geräte zahlte, meinte der Akustiker, dass ich schlechter höre. Mir war das noch so recht, so konnte ich Erfahrung mit Hörgeräten unterschiedlicher Hersteller sammeln.»
Zusatzmikrofone
Franz besitzt inzwischen eine ganze Palette von «Jokern». So nennt er die unterschiedlichen Zusatzmikrofone, die er situativ einsetzt, um sich den Alltag zu erleichtern. «Das hier hängt sich meine Frau beim Einkaufen um, damit ich sie auch verstehe, wenn sie sich übers Kühlregal beugt. Dieses nutze ich beim Yoga. Und das da hat mir früher bei Sitzungen geholfen.» Franz kennt alle Neuheiten, die auf den Markt kommen, und die feinen Unterschiede zwischen Produkt A und Produkt B.
Alle zwei, drei Jahre neue Hörgeräte
Franz wechselt alle zwei bis drei Jahre seine Hörgeräte. Das ist häufig, aber er kontert: «Wenn jemand, der viel Auto fährt, ständig einen neuen Wagen vor der Tür stehen hat, wundert sich niemand. Nur bei Hörgeräten hat man das Gefühl, der spinne. Dabei nutze ich sie jeden Tag. Und meine Lebensqualität hängt wesentlich davon ab, wie gut ich höre.»
Franz engagiert sich seit vielen Jahren für Pro Audito. Seinen ersten Lippenlese-Kurs in Davos besuchte der heutige Rentner schon mit Mitte dreissig. «Die Kurse haben mir immer gut gefallen», bekennt er. «Aber ich bin ein sehr akustisch fixierter Mensch, nicht besonders gut im Lippenlesen.»
Und dann kann die Anfrage, ob er nicht Lust hätte, in die Pro Audito-Hörmittelkommission einzusteigen. Hatte er. Heute ist Franz Präsident der Expertengruppe und behält in dieser Funktion den Überblick über den wachsenden Markt der Hörmittel. Eine Aufgabe, die seinem technischen Interesse sehr entgegenkommt. Jedoch auch ein Amt, das nur mit viel Zeitaufwand und Enthusiasmus zu erfüllen ist.
Steckbrief
Franz
konnte schon mit 20 das Klicken eines Kugelschreibers nicht mehr hören. Heute, mit 70, nutzt er Hörgeräte und Hilfsmittel, um seinen hochgradigen beidseitigen Hörverlust zu kompensieren.
Erfahrung
sammelt Franz, indem er alle zwei bis drei Jahre seine Hörgeräte wechselt und so den wachsenden Markt der Hörmittel verfolgt.
Ehrenamtlich
präsidiert Franz die Pro Audito-Fachkommission Hörmittel.
Joker
nennt Franz seine diversen Zusatzmikrofone, die er situativ einsetzt, um sich den Alltag zu erleichtern.
Franz sagt:
«Ich weiss ziemlich genau, ob eine Neuentwicklung nur ‹nice to have› ist oder mir wirklich etwas hilft.»
Weitere Informationen
So können Sie helfen
Mitgliedschaft
Werden Sie Mitglied: Sie profitieren von Vorteilen und unterstützen schwerhörige Menschen in der Schweiz. Für 50 CHF im Jahr.
Spenden
Unterstützen Sie uns mit einer Spende: Ob klein oder gross. Ihr finanzieller Beitrag trägt die Arbeit von Pro Audito mit.