
Franco (50)
Diesen Moment vor 18 Jahren wird Franco nie vergessen: Wie er in Dietlikon in den Zug steigt, wird ihm schwindlig. Kurz darauf beginnt das Pfeifen im rechten Ohr. Der Tinnitus begleitet ihn bis heute – inzwischen auf beiden Ohren.
Franco hat sich vieles selbst erarbeitet, eine chice Wohnung, einen japanischen Garten, die Stelle als Verkäufer in einer eleganten Modeboutique am Zürcher Paradeplatz. Und doch gab es Zeiten, in denen Franco seine ganze Kraft aufwenden musste, um morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen.
Die Trigger des Tinnitus
Franco hat nicht die besten Erinnerungen an die ersten konsultierten Ärzte: «Sie sagten mir, dass ich mit dem Tinnitus leben müsse, ohne etwas zu erklären oder mir zu zeigen, wie ich damit umgehen soll. Das war brutal.» Die Frage nach dem Warum kann Franco für sich eindeutig beantworten: «Als der Tinnitus losging, war gerade eine Liebe in die Brüche gegangen und ich hatte eine neue Stelle angetreten, wo ich mich überhaupt nicht wohl gefühlt habe. Mir ging es nicht gut. Das hat den Tinnitus getriggert.»
Hinzu kam wohl auch eine Vorschädigung der Ohren durch ausgiebige Discobesuche seit dem Alter von 14 Jahren.
Auf eine Empfehlung hin macht Franco einen Versuch bei einem Ohrspezialisten in Winterthur. «Dieser Arzt hat sich viel Zeit für mich genommen. Er hat mir klargemacht, dass es kein Heilmittel gibt. Und gab mir wichtige Tipps zum Umgang mit dem Tinnitus. Zum Beispiel: «Denken Sie nicht immer daran. Reden Sie nicht ständig darüber.» Das klingt banal, aber war für Franco entscheidend wichtig.

Franco in seinem japanischen Garten. Foto: Patrick Lüthy für Pro Audito
Ein herber Rückschlag
Rund drei Jahre geht alles gut, dann der Rückschlag: Ein schlimmer Krach mit der Nachbarin stresst Franco und beschert ihm zwei, drei schlaflose Nächte. Er bekommt einen zweiten Tinnitus auf dem anderen Ohr. Diesmal lässt sich das Ohrgeräusch nicht mehr so einfach ausblenden. Franco konsultiert weitere Ärtze am UniversitätsSpital Zürich (USZ) und der Tinnitus-Klinik in Chur. Eine Zeitlang helfen natürliche Stimmungsaufheller, Musik, Akupunktur, Entspannung. Aber nichts vermag ihn so ganz «wieder runter» zu bringen.
Franco heiratet. Sohn Dylan wird geboren. Ein glückliches Ereignis, aber verbunden mit zusätzlichem Stress und einer neuen Verantwortung. Für Franco zu viel. Sein Ohrgeräusch gewinnt wieder die Oberhand. Franco wird depressiv. Erst mit Hilfe eines Psychologen und dank richtigen Medikamenten kann sich Franco aus dem Teufelskreis von Depression und Tinnitus befreien.
Was hilft bei einem Tinnitus?
Bei der Arbeit in der Boutique kann Franco seinen Tinnitus vergessen und sich ganz auf seine Aufgaben konzentrieren: «Ich arbeite gerne, mein Beruf macht mich glücklich. Ich mache am meisten Umsatz, habe die meisten Stammkunden.» Genauso wichtig ist sein Hobby. Zuhause hat er sich einen japanischen Garten angelegt. Hier findet Franco Ruhe – auch vor dem Tinnitus.
Wichtig ist auch die Familie: «Es hat Zeiten gegeben, da habe ich mich allein gefühlt und mich gefragt: Was ist der Sinn, so zu leben? Aber Dylan, mein Sohn, war für mich immer der Grund, weiterzumachen, den Tinnitus nicht gewinnen zu lassen. Auch mein Vater, meine Mutter und meine Schwester waren immer für mich da.»
Franco hat sich arrangiert mit seinem Tinnitus. Er ist zufrieden mit seinem Leben. Doch die Ehe zerbrach nach acht Jahren, nicht zuletzt wegen der Belastung durch den Tinnitus.
Was hat Franco gelernt?
«Du musst selber an dir arbeiten – sonst macht es keiner. Ganz wichtig ist, eine Beschäftigung zu finden, die dir Freude am Leben gibt. Und dass du Kollegen hast, dass du nicht alleine bist.» Ein Leben mit Tinnitus. Seit 18 Jahren. «Ich hoffe, dass es so bleibt», sagt Franco. «Und wenn es so bleibt, ist es super.»
Steckbrief
Franco
lebt seit 18 Jahren mit einem Tinnitus, der ihn bis in die Depression getrieben hat.
Ein Zuhause
hat Franco sich selbst erarbeitet. Er wohnt in der Nähe von Zürich und hat einen kleinen Sohn.
Beruflich
ist Franco sehr zufrieden. Er verkauft in einer eleganten Boutique Herrenmode.
Entspannung
findet Franco in seinem selbst angelegten japanischen Garten.
Lebensmotto
«Du selbst musst an dir arbeiten. Sonst macht es keiner.»
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