Dodo (47)
«Hippie-Bus … die einzig Gfahr, wo bestaht, isch Tinnitus.» Dodo landet mit diesen Zeilen einen seiner grössten Hits. Kein Zufall.
Dodo ist ein Kind der 1990-Jahre: «Es war uncool, sich etwas in die Ohren zu stecken.» In Rap-Konzerten steht er vorne, nahe den Boxen, wo die Chance am grössten ist, am Ende der Show auf die Bühne gezogen zu werden. So wie bei dem Konzert der Hip-Hop-Band «Pharcyde». Dodo ist damals 18.
Glücklich macht er sich nach anderthalb Stunden «Volumen am Anschlag» auf den Heimweg. Das schrille Fiepen in den Ohren ist er gewohnt, auch dass es nach ein, zwei Tagen verschwindet. Aber diesmal hört es nicht auf. Dodo: «Da habe ich richtig Schiss bekommen.»
Die schlimmste Zeit seines Lebens
Totaler Rückzug. Dodo sperrt sich in seinem Zimmer ein, geht monatelang weder zur Schule noch arbeiten. «Ich wollte absolute Ruhe», sagt er. «Und gleichzeitig habe ich jede Sekunde gelauscht, ob der Tinnitus noch da ist. Das war psycho!»
Schlaf, Sport und Musik verabschieden sich aus seinem Leben. Dodo erinnert sich an Suizidgedanken. «Es war nicht der Pfeifton an sich, der mich so fertig gemacht hat. Für mich ist meine Welt zusammengebrochen.» Wie ein wundes Tier leckt der Teenager seine Wunden.
Allmählich rappelt er sich auf und geht zum Arzt, und zum nächsten, usw. Niemand hat eine Therapie für den Tinnitus. Blutdruckmittel sind so unwirksam wie die neurosensorische Stimulation mit Mozartklängen.
Hip-Hop und Klassik? Dodo lässt sich drei Monate lang auf Mozart ein, aber der Tinnitus folgt keinem Diminuendo. Auch eine schamanische Therapie mit Ausräuchern und Bärlauch in den Ohren bringt zwar Linderung, aber keine wirkliche Besserung.
Die Wende
Schliesslich landet Dodo bei einem Arzt in Basel, der selber von einem Tinnitus betroffen ist. «Das war der erste Mensch, der mich wirklich verstanden hat», sagt Dodo. Der Arzt stellt ihn vor die Wahl: Entweder mit grossem Energieaufwand gegen den Tinnitus kämpfen – oder ihn umarmen und sich mit ihm anfreunden!
Dodo denkt: Der spinnt!
Trotzdem beginnt es schon auf dem Heimweg in Dodo zu arbeiten. Dodo fädelt ein inneres Gespräch mit seinem Tinnitus ein. Dankt ihm, dass er da ist, um ihn dann loszulassen.
Die innere Arbeit, die Dodo leistet, zahlt sich aus. «Natürlich hatte ich immer wieder Momente, wo ich im Tinnitus-Bubble gefangen war. Aber ich hatte keinen Drang, zu kämpfen, oder mit neuen Methoden gegen den Tinnitus zu experimentieren.»
Dodo holt sich langsam sein Leben zurück, geht ins Hockey-Training, macht endlich auch wieder Musik. Immer dabei: Der Tinnitus.
Sein Friedensschluss mit dem Tinnitus hält nun schon über zwanzig Jahre. «Manchmal», gesteht Dodo, «höre ich ihn in der Nacht, oder nach einer Show. Aber er nervt mich nicht mehr. Er ist ein Wesen, das in mir drin und mit mir zusammen ist.»
Mehr noch: Dodo ist seinem Tinnitus dankbar. Dieser hat ihn nämlich gelehrt, zu akzeptieren. «Das konnte ich schon auf ganz viele andere Situationen anwenden.»
Ohren schützen!
Dodo schützt sein Gehör mit einem In-Ear-System. Er hört während der Show nur den eigenen Ton auf dem Ohr, nach aussen machen die Ohrstöpsel dicht.
In-Ear-Gehörschutzsysteme sind in der heutigen Musikszene zwar Standard, aber es kommt darauf an, sie richtig einzustellen, und das will gelernt sein: «Wenn du zwei, drei Stunden Show hast und an den Anschlag kommst, wenn dein ganzer Körper müde wird, dann darfst du nicht den Fehler machen, lauter zu drehen. Dann musst du im Gegenteil runterregeln!»
Steckbrief
Dodo
lebt seit über zwanzig Jahren mit einem Tinnitus.
Sein Trauma
Eine Schreckschusspistole knallt direkt neben dem Ohr des Achtjährigen.
Sein Erfolg
Dodo ist eine feste Grösse in der Schweizer Mundartmusik.
Sein Kapital
Die Ohren. Dodo schützt sie mit Ohrstöpseln.
Dodos Tipp
Genügend Schlaf, Erholung und Sport!
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