Kolumne: Hans Schneeberger schreibt über „Kchrrrrr…“

Montag, 18. November 24

Die Frage ist eigentlich einfach: Wieso kostet es Fr. 400, ein total kaputtes Hörgerät wieder flicken zu lassen, aber Fr. 4500, ein verlorenes Hörgerät zu ersetzen? Die Antwort dazu ist… ähmm… schwierig. Und sie führt in die Abgründe des Gesundheitswesens.

Das Geräusch habe ich noch von früher im Ohr. Dieses „Kchrrr…“, wenn man auf etwas tritt, das kaputt geht. Dieses Mal war es aber keine Plastikspielzeug auf der Veranda. Es war teurer. Sehr viel teurer. 

Ich war gerade in der Garage von meinem Motorrad gestiegen und hatte den Helm abgestreift. Die Hörgeräte, die ich auf lautlos gestellt hatte, hatte ich völlig vergessen. Doch ich realisierte schnell, dass mir eines der beiden Geräte runtergefallen war. Ich suchte im Dunkeln. Bis ich dieses „Kchrr“ im Ohr hatte und es unter meinem Töffstiefel knirschte. „Upps… das, wird teuer“, sagte ich mir, als ich das total zerstörte Gerät in der Hand hielt. Ich war dann aber bass erstaunt, als man mir bei der Hörgeräte-Kette meines Vertrauens sagte, das würde gar nicht so teuer werden. Die Reparatur des Gerätes, das man nicht mal mehr als Hörgerät erkennen konnte, kostete mich 400 Franken.

Ein Jahr später verlor ich dann ein Hörgerät. Ich musste das Gerät ersetzen. Genau das gleiche Hörgerät, die Audio-Einstellungen unverändert, die Software-Überspielung hatte keine 5 Minuten gedauert. In einer halben Stunde hatte ich den Laden wieder verlassen. Kostenpunkt: 4500 Franken. Auf meinen zögerlichen Einwand, dass ich diesen Preis für einen Ersatz nicht ganz nachvollziehen könne, erhielt ich die Antwort, das sei bei allen Hörgeräten so. Dafür seien alle Dienstleistungen gratis. Ich so: „Aber Sie haben ja keine halbe Stunde Zeit gebraucht?“ Die Dame so: „Ja, aber das muss man im Gesamtzusammenhang aller Kosten sehen, die anfallen!“ Ich so: „Aha.“

Klar. Gegen den Gesamtzusammenhang kommt man nicht an…

Ich war 15 Jahre Wirtschaftsjournalist. Und nein: Der Gesundheits-Markt hat sich mir in dieser Zeit nie wirklich erschlossen. Wenn es denn sowas wie einen Gesundheits-„Markt“ überhaupt gibt.  Ich kann Ihnen zwar aufzeigen, wie sich die Märkte für Autos, Heizstrahler, Kiwi oder Kaugummi verhalten. Ich weiss, worauf Märkte reagieren, wieso Inflation lähmend und Deflation tödlich sein kann. Ich kann Ihnen verklickern, was Preiselastizität ist und was die Rechnung des Bundes von einem Milchbüchlein unterscheidet. Aber jemandem zu erklären, was mit den Gesundheitskosten passiert – sorry, da bin ich überfordert. Ich könnte Ihnen zur Not sogar Einsteins Relativitäts-Kiste näherbringen. Aber nicht den Gesundheitsmarkt – nein, da hörts auf.

Ich kann Ihnen den „Gesamtzusammenhang“ nicht erklären. Ich kann für Sie nur hoffen, dass Ihr nächstes Hörgerät kaputt und nicht verloren geht.

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Wer ist Hans Schneeberger? 

Hans Schneeberger war 14 Jahre Chefredaktor des Migros-Magazins, ist heute frühpensioniert, Weinautor und lebt in Aarau. Er trägt seit über 20 Jahren Hörgeräte und schreibt als Kolumnist für das Pro Audito Magazin Dezibel.

 

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